Tim Worpenberg Tim Worpenberg Tim Worpenberg Sommerinterview der CDU JU Georgsmarienhütte Osnabrück Foto Jule Huning
Tim Worpenberg im Interview

Tim Worpenberg im Sommerinterview der Jungen Union

8. Oktober 2025

Zwischen Führung und Verantwortung: Tim Worpenberg über die Zukunft politischer Steuerungsfähigkeit

Im Interview der Jungen Union Osnabrück/Land spricht der Vorsitzende der CDU Georgsmarienhütte Tim Worpenberg ausführlich über die weit gefassten strategischen Herausforderungen der kommenden Jahre, die Erfahrungen und Überlegungen rund um die Erneuerung der Politik sowie die Rolle der CDU als moderner Gestalter vor Ort. Ein Ritt durch die aktuelle Lage.


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Tim Worpenberg im Interview


Herr Worpenberg, wir sind im Spätsommer 2025 – ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl. Wie beurteilen Sie die aktuelle Gesamtlage?

Wir erleben derzeit eine Dynamik, die in ihrer Wucht und Beschleunigung viele gewohnte Planungsgrößen überfordert – wirtschaftlich wie gesellschaftlich. Die gegenwärtige Tendenz der ökonomischen Kennzahlen ist eher negativ. Sie entwickeln sich an mehreren Stellen in die falsche Richtung und bieten das perspektivische Risiko, sich exponentiell zu erweitern. Expotentiell, da sich viele dieser Krisenfaktoren gegenseitig verstärken. Dabei ist es zu kurz gedacht, sich auf einem „noch geht es uns ja gut“ auszuruhen. Die ersten Folgeeffekte von Rezession und gesellschaftlichen Zentrifugalentwicklungen sind absehbar. Ohne klare Steuerungsimpulse droht daraus mehr als nur eine temporäre Delle – es droht ein strategisches Zurückfallen ganzer Regionen und mittelfristig der gesamten Volkswirtschaft.

Gleichzeitig sind wir mit fundamentalen Herausforderungen im Bereich der Migrations-, Energie- und Sicherheitspolitik konfrontiert, deren Auswirkungen bis in jede kommunale Entscheidungsebene hineinreichen. Die Behauptung, all das ließe sich mit mehr Kommunikation oder dem Versprechen auf „Mut und Zusammenhalt“ allein abfedern, greift zu kurz. Was wir derzeit brauchen sind unternehmerische Selbstverständlichkeiten: ein belastbares Lagebild, ein strukturiertes Veränderungsmanagement und eine operative Führung, die sich an Resultaten misst, nicht an Stimmungen.

Was heißt das konkret für Georgsmarienhütte – eine Stadt mit prägender Industrie?

Neben der historischen Herleitung wirkt sich die stadteigene Industrie- und Unternehmenslandschaft bis in jede Faser der Stadt aus. Wenn die Industrie leidet, leidet die Stadt. Jeder prozentuale Rückgang bei Aufträgen oder Umsätzen führt mit kurzer Verzögerung zu geringeren Einnahmen, reduzierten Handlungsspielräumen im Haushalt und letztlich zu realen Einschränkungen für Bildung, Infrastruktur und Standortattraktivität. Es ist nicht zu weit gegriffen, dass wegbrechende Umsätze der heimischen Unternehmen unmittelbar Auswirkungen auf den Zustand unserer Stadt haben. Energiepreise, Steuerdruck, regulatorische Unsicherheiten – das alles trifft nicht nur die Großen, sondern die Substanz des Mittelstands. Wenn wir wirtschaftliche Zukunft wollen, müssen wir Planbarkeit schaffen. Und zwar nicht nur für Investoren, sondern auch für die Auszubildenden, Facharbeiterinnen und hochqualifizierten Fachkräfte, die über ihre Lebensentscheidungen nachdenken: Bleibe ich? Gründe ich hier Familie? Oder ziehe ich dahin, wo es sicherer wirkt?

Aber zur prägenden Industrie; Wir sitzen hier gerade am direkten Rande des Teutoburger Waldes und Sie hören spielende Kinder. Die Stadt Georgsmarienhütte ist also mehr als nur ihre Unternehmen – aber ohne ihre Unternehmen ist sie nicht mehr dieselbe Stadt. Deshalb denken wir Wachstum ganzheitlich: Es braucht hochwertige Bildung, digitale Infrastruktur, bezahlbaren Wohnraum und ein städtisches Umfeld, das Fachkräfte halten und Innovation begünstigen kann. Das ist kein Komfortdenken. Das ist strategische Standortpolitik.

Bleien wir kurz bei Unternehmen. Entspricht die aktuelle Wirtschaftspolitik Ihrer Meinung nach den realen Anforderungen der Gegenwart?

Keineswegs in Gänze. Wir erleben in vielen Fällen eher das Gegenteil: Eine wirtschaftspolitische Kleinteiligkeit, die sich im Management von Details verliert und damit den Blick auf das Gesamtsystem verstellt. Viel zu oft wird Regulierung als Ersatz für Richtung verstanden. Statt der Wirtschaft Gestaltungsspielräume zu eröffnen, wird versucht, sie zur „richtigen Lösung“ zu dirigieren. Das ist weder nachhaltig noch innovativ. Wer Ökonomie ernst nimmt, muss sie von der Zielerreichung her denken, nicht vom Formular oder vom Verwaltungsvorgang. Unternehmen brauchen Freiraum – und sie brauchen Verlass. Die aktuell fehlende Verbindlichkeit in zentralen politischen Rahmensetzungen – von der Energieversorgung bis zur Steuerpolitik – ist eines der größten Hemmnisse für Investitionen und Innovationen.

Diese Form der politischen Resilienz, also die Fähigkeit, auch unter veränderten Umständen verlässlich und steuerungsfähig zu bleiben, ist derzeit kaum gegeben. Und das ist für ein Wirtschaftsland wie Deutschland kein Betriebsrisiko mehr, sondern ein strategisches Problem. Ich will dies hier nochmal verdeutlichen; ein reines Verwalten oder dezentes Anpassen des Status quo ist ökonomisch nicht mehr vertretbar. 

Das heißt anbei nicht, dass es nicht auch Unternehmen oder Branchen gibt, die sich durch einen betrieblichen Transfer auf neue Bereiche ausrichten können und damit auch zukünftig bestand haben werden. Unbenommen! Die deutliche Masse der Unternehmenslandschaft und des unternehmerischen Mittelstandes hat diese Möglichkeiten je nach Branche jedoch nicht. Und auf diesen baut aber unser Wohlstand.

Die Bundesregierung – also die Koalition zwischen CDU und SPD – formuliert regelmäßig das Ziel, dass es den Menschen besser gehen soll. Ist das für Sie erkennbar?

Vorweg bin ich mir sicher, dass in beiden Parteien der Bundesregierung in guter Absicht gehandelt wird. Alles andere wäre unredlich.
Offen gesprochen glaube ich; der durchschnittliche Bürger hat keine Lust, täglich BIP-Wachstumsraten oder Inflationszahlen zu interpretieren. Daher ein wenig plastischer: Er orientiert sich an etwas anderem, an seinem Lebensalltag. Wie lange dauert es, bis mein Kind einen Kitaplatz bekommt? Wie ist die Qualität der Bildung? Wie sicher ist meine Arbeit und mein Weg zu dieser? Komme ich mit meinem Einkommen über den Monat? Mit welchen Gedanken blicke ich in die Zukunft? Das sind die realen Indikatoren für Lebensqualität. Und genau dort zeigt sich: Die Ergebnisse der aktuellen Politik sind für viele nicht überzeugend. Das ist keine Frage der politischen Nestverschmutzung – es ist einfach ein messbarer Fakt und es gehört angesprochen.

Wenn politische Kommunikation primär dazu dient, sich selbst gegen schlechte Stimmung abzusichern, statt Wirkung zu erzeugen, dann erzeugt das sehr berechtigte Frustration. Wenn Politik nur noch erklärt, warum sie etwas tut, aber niemand mehr spürt, dass es wirkt, dann folgt Verdrossenheit auf dem Fuß. Dass CDU und SPD in vielen Fragen gemeinsame Linien finden müssen, ist Teil des Systems einer Koalition. Dies darf man bei allem Frust nicht vergessen. Doch zwischen Koalitionsfähigkeit und Wirksamkeit liegt ein wesentlicher Unterschied. Und wenn Grundlegendes – etwa also massive Reformen in Sozialstaat, Verwaltung oder Energieversorgung – aus parteipolitischer Taktik gebremst wird, dann lässt sich das in der Lebensrealität der Menschen nicht länger verstecken. 

Sie sprachen eben von politischer Resilienz. Können Sie das noch einmal konkretisieren?

Resilienz beschreibt die Widerstandsfähigkeit eines Systems unter Stress. Politische Resilienz meint daher, dass Politik auch unter widrigen Bedingungen steuerungsfähig, nachvollziehbar und vor allem geradlinig bleibt. Es geht um das Vertrauen darauf, dass getroffene Entscheidungen nicht morgen schon Makulatur sind – und dass politische Linien sich nicht bei jeder medialen Böe neu ausrichten. Für Bürgerinnen und Bürger, aber gerade auch für Unternehmen ist das essenziell. Wenn niemand mehr abschätzen kann, welche Auflagen, Steuern oder Richtlinien in einem Jahr gelten – wie soll dann in einem Markt investiert werden, der auf Jahrzehnte rechnet? Dies fasst den privaten Kredit für das Eigenheim wie unternehmerische Entwicklungen.

Es bedeutet aber auch, Kompromisse nicht als Ziel, sondern als Mittel zu verstehen. Meinetwegen auch als politisches Korrektiv, welches den Wettbewerb der besseren Idee begünstigt. Aber dieser darf nicht zur Selbstaufgabe  führen. Wenn politische Überzeugungen permanent verhandelbar sind, dann sind sie im Kern keine mehr. Insgesamt brauchen wir also wieder mehr strategische Klarheit.

Eine wesentliche Lageänderung oder eine bessere Idee darf dabei gerne dafür sorgen, dass man ursprünglich getroffene Entscheidungen abändert. Aber sich nur für kurzfristige Publicity von der gut begründeten Überzeugung zu entfernen ist irrig. Der politische Opponent mag einen deswegen dennoch nicht – und das eigene politische Lager ist enttäuscht. Wir brauchen wieder ein Narrativ, das weg von kurzfristigen Effekten und hin zu nachhaltiger Entwicklung geht. Und ganz persönlich bin ich davon überzeugt, dass zum Beispiel unsere lokalen Bundestagsabgeordneten hier sehr positive Beispiele sind.  

Wie beurteilen Sie die aktuelle sicherheitspolitische Lage für Deutschland und konkret für Niedersachsen? Sind wir wieder im Kalten Krieg?

Die gegenwärtige Situation ist vielschichtig und lässt sich nicht so einfach mit dem Kalten Krieg gleichsetzen. Gerade was die Auswirkungen auf die Bundesrepublik angeht. Auch wenn militärische Konflikte stets mit Leid verbunden sind; wir haben zu erkennen, dass wir in Deutschland heute von einer ganz anderen sicherheitspolitischen Architektur auszugehen haben als noch vor 1990. Deutschland ist heute nicht primär potenzieller Frontstaat. Viel mehr kommt Deutschland heute die Rolle der strategisch notwendigen Drehscheibe und als „Enabler“ nach, welches für die militärische Handlungsfähigkeit der Partner und der europäischen Nachbarn im Osten notwendig ist. Wenn dies auch eine andere Lage ist; es ist dennoch hoch entscheidend für die europäische Sicherheitsarchitektur. Infrastruktur, logistische Möglichkeiten und Produktions- und Innovationskapazitäten unserer Volkswirtschaft sind die Garanten hierfür. Damit einher geht aber auch eben die Vielzahl an Bedrohungen, die sich in vielen Formen gegen eben diese richtet; ob jetzt in Form einer hybriden Kriegsführung oder zum Erringen von politischen oder wirtschaftlichen Vorteilen.

Gerade Niedersachsen ist davon stark betroffen: Häfen, LNG-Terminals, Stromtrassen, Pipelines, Bahnlinien – unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hängt an einigen neuralgischen Punkten. Wenn wir also von kritischer Infrastruktur oder KRITIS sprechen, meinen wir genau das: eine hochkomplexe, verletzliche Versorgungsrealität, deren Sabotage potenziell Millionen betrifft. Ein sehr heikles Thema, welches nicht eindimensional gedacht werden darf. Es geht hier keineswegs also nur um Polizei oder Bundeswehr, sondern um ein abgestimmtes Zusammenspiel aus Staat, Wirtschaft, technischer Infrastruktur, Ehrenamt und digitaler Verteidigungsfähigkeit. Wer heute über Sicherheit spricht, muss auch über gesamtgesellschaftliche Robustheit sprechen.

Und wir sprachen eingangs über Ökonomie. In Zeiten wirtschaftlicher Spannung ist es umso relevanter, dass wir Verteidigung nicht outgesourced bei der Bundeswehr verstehen, sondern in allen Entscheidungen mit überschaubarem Mehraufwand einfließen lassen. Ob jetzt Planung von Infrastruktur oder Brückenbau; ob Förderung von Forschung oder dem Unterstützen des weitergefassten Katastrophenschutzes im Ehrenamt.

Sie engagieren sich seit Jahren im Bereich KRITIS als Organisator und Netzwerker. Was heißt das konkret?

KRITIS ist eine staatliche Daueraufgabe mit enormer Komplexität; eben habe ich es ja bereits angedeutet. Wir reden ja über Stromnetze, Öl- und Gasversorgung, Trinkwasser, Gesundheitsversorgung, Verkehrsinfrastruktur, digitale Netze – und vor allem: deren Abhängigkeiten von- und untereinander. Ein Ausfall in einem Sektor zieht fast immer Kettenreaktionen in anderen Bereichen nach sich. Dies stellt hohe Anforderungen an Planung, Betrieb und Schutz dieser Einrichtungen. Und es wird gerade dann herausfordernd, wenn neue Grundrechenarten der Bedrohung hinzukommen; nennen wir hier mal Cyberbedrohungen oder der Einsatz von Drohnen.

Mit den Auswirkungen der Pandemie 2020 rückte KRITIS in mein Interesse, sodass ich seitdem im Themenfeld ehrenamtlich tätig bin. Der Krieg in der Ukraine hat sowohl Verwundbarkeit als auch Auswirkungen dann aus einer anderen Perspektive nochmals deutlich konkretisiert.  Und auch wenn dies mittlerweile nicht mehr die hohe mediale Aufmerksamkeit des Frühjahrs 2022 hat; das gezielte Bekämpfen von kritischer Infrastruktur in der Ukraine – auch und gerade in der Tiefe des Landes – findet unverändert statt. Tendenz zunehmend. Die Bewertung der eigenen Verwundbarkeit – ob jetzt durch Umweltkatastrophen oder durch menschliche Einwirkung ausgelöst – schafft Herausforderungen mit strategischer Tiefe auch für unsere Region.

Ohne zu sehr in operative Details einzugehen; KRITIS kann nicht allein von Bundeswehr, Landes- oder Bundespolizei gestemmt werden. Von diesem Gedanken muss man sich entfernen. Wir brauchen robuste, dezentrale Strukturen, leistungsfähige Netzwerke und operative Redundanz – auch in der Fläche. Gerade hier lastet der Katastrophenschutz auf ehrenamtlichen Schultern in vielen unterschiedlichen Organisationen. 

Sie sprechen über das Ehrenamt. Hier hört man regelmäßig von Nachwuchsproblemen. Wie sehen Sie das?

Das Ehrenamt ist das Rückgrat gesellschaftlicher Resilienz – ob jetzt in der Feuerwehr, bei den Pfadfindern oder im örtlichen Sportverein. Der Rückgang an freiwilligem Engagement ist keine gefühlte Entwicklung, sondern empirisch belegt – und zwar quer durch alle Bereiche. Katastrophenschutz trifft dies genauso wie soziale Arbeit oder Sport. Folgerichtig verdient jeder Mensch unsere Anerkennung, der sich freiwillig in den Dienst der Gesellschaft stellt.

Gerade im Bereich des weiter gefassten Katastrophenschutzes ist diese Entwicklung in der heutigen sicherheitspolitischen Lage aber besonders kritisch. Diese Organisationen müssen stärker aufgestellt und der Dienst darin mit Vorteilen behaftet werden. Ob durch finanzielle Vorteile bei Altersvorsorge und Krediten oder durch Ersatzgestellungen gegenüber etwaigem Wehrdienst. Damit aber gerade auch die intrinsische Motivation wachsen kann, ist starke Dezentralisierung und gute Ausstattung der stärkste Hebel. Die Ausrüstung muss ausreichend für den jeweiligen Einsatzzweck, Liegenschaften erreichbar und Zustände vertretbar sein. Und genau hier kann man auch schon auf tieferer politischer Ebene direkt ran.

Wenn Sie mir den Exkurs erlauben; Dezentralisierung ist jedoch kein Allheilmittel und muss jeweils nach logischen und ökonomischen Faktoren betrachtet werden. Nehmen wir Feuerwehrhäuser als Beispiel; hier ist es logisch herleitbar, dass es eine gute Abdeckung in allen Teilen der Stadt gibt – gleichzeitig bedarf es auch einer gewissen Einzugsgröße, um überhaupt ein selbstständig operatives Minimum an verfügbaren Kräften und Mitteln zu haben und um letztendlich finanzierbar zu bleiben. Dennoch ist eine gewisse Dezentralisierung zwingend: für den steten Bezug zu konkreten und eigenen Gegend anstelle anonymer Liegenschaften „irgendwo“. Darüber hinaus ist Dezentralisierung ein Hebel für die Einbindung des Katastrophenschutzes in die Gesellschaft und die Gewinnung von Menschen, die sich einbringen wollen. Eine kleine Anekdote: Vor kurzem wohnte ich einer Übung der Feuerwehr und Malteser bei. Hier stellte sich heraus, dass bei einem vorhergehenden scharfen Einsatz der Feuerwehr ein ziviler Bagger, der eigentlich für eine neue Lackierung bereits abgeklebt wurde, für den kurzfristigen Einsatz über Beziehungen herangezogen wurde. Der Erfolg gab ihnen recht.

Es liegt also im Endeffekt an Menschen, die sich einbringen und charakterlich bereit sind, Verantwortungen zu tragen. Neben reiner Anerkennung muss es Auftrag der Gesellschaft sein, diesen Menschen die bestmöglichen Voraussetzungen für ihren Dienst bereitzustellen. Denn ohne Sie liefe im Ernstfall halt nichts.

Was halten Sie von Pflichtjahren oder Wehrdienst – also allgemein Zwang in dieser Sache?

Vorweg, ich selber habe mit Wehrpflichtigen gedient, hatte selbst einen Einberufungsbescheid im Briefkasten. Dennoch gibt es hierzu verschiedene Perspektiven, die auch jeweils logisch hergeleitet und vertretbar sind. Nach meiner Bewertung ist es zwingend notwendig, dass ein solcher Einschnitt in das Leben von jungen Menschen gut begründet sein muss. Der wie auch immer konkret geartete Dienst muss also der aktuellen sicherheitspolitischen Lage entsprechen und damit in einer Organisation so stattfinden, die auf die Erfordernisse eben dieser Lage ausgerichtet ist. Eine Notwendigkeit, damit Dienst kein Selbstzweck ist, sondern einen konkreten Bedarf deckt.

Ein Dienst kann darüber hinaus für den einzelnen Menschen beruflich und charakterlich viel positives bieten. Ein Reiz, der regelmäßig in Diskussionen zu diesem Thema aufkommt. Damit es aber nachhaltige Akzeptanz in der Bevölkerung findet, muss jedoch eine gewisse Gerechtigkeit vorliegen. Denken wir an die Lage der jungen Menschen von heute. Was ich hier kritisiere: Sie werden oft aufgefordert sich einzubringen – aber erleben gleichzeitig eine Gesellschaft, die ihnen keine klare Perspektive bietet. Keine sichere Rente, kein bezahlbarer Wohnraum, Aufforderung zur Leistung trotz steigender Leistungsnehmer, keine stabile Wirtschaft. Das ist ein gefährlicher Widerspruch. 

Aber wie eingangs gesagt habe ich hierzu einen starken Bezug und habe viele Jahre lang Menschen in den Streitkräften geführt und zusammen mit Freiwilligen und „Gezogenen“ gearbeitet. Eine Wehrpflicht kann Chance sowohl für das Land als auch für die einzelnen Personen in ihr sein. Aber es ist kein Allheilmittel für reformbedürftige Strukturen – so wie junge Menschen keine politische Spielmasse sind. 

Ist hier ein Konflikt zwischen Jung und Alt zu erkennen?

Nicht zwangsläufig. Aber es gibt eine wachsende Wahrnehmung von Ungleichbehandlung zwischen unterschiedlichen Gruppen unserer Gesellschaft, die durch politische Klientelpolitik verstärkt werden und damit den Gemeinsinn zersetzen können. Hier sehe ich persönliche eine zunehmende Tendenz, was Anlass zur Sorge sein sollte. Wenn wir aber konkret über Jung und Alt sprechen, gibt es hier schon sehr nachvollziehbare Argumentationslinien.

Junge Menschen zahlen in Systeme ein, von denen sie nicht wissen, ob sie je eine Leistung sehen. Sie stellen ernüchternd fest, dass ein ehemals üblicher Lebensstandard für sie wohl ohne weiteres nicht greifbar sein wird. Auch hier ist die bereits besprochene Verlässlichkeit politischer Rahmenbedingungen ein drängendes Thema. Offen gesprochen: in Anbetracht dieser Situation verstehe ich den jungen Mensch, der anstellte sich etwas wirtschaftlich aufzubauen seine Arbeitslast reduziert und seinen Planungshorizont ein wenig kürzer hält. Gleichzeitig erleben ältere Personen die politischen Diskussionen darüber, ob ihr eigenes Heim in gewissen Größen für sie überhaupt noch angemessen und die rechnerische Besserstellung von Transferleistungsempfängern gegenüber ihrem Rentenniveau nach einem langen Arbeitsleben vertretbar sei. Für beide Seiten – und damit für die gesamte Gesellschaft – müssen vertretbare Lösungen her. Es muss mit Klarheit gesagt werden, dass jede Entwicklung abzulehnen ist, die Jung und Alt gegeneinander ausgespielt. Niemandem wäre dadurch geholfen, wenn unsere Gesellschaft weiter innere Trennlinien zieht. 

Ist das auch die Überzeugung der Bundes-CDU?

Die Union umfasst Meinungsvielfalt auf einer gemeinsamen Wertegrundlage. Und ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass politischer Diskurs Garant für eine demokratische Entscheidungsfindung ist. Viele Menschen treten hier in den Diskurs und wägen ihre Argumente und Ideen einander und gemeinsam ab. Wäre dies nicht mehr möglich, so hätten wir ein ernsthaftes Problem. Ich bin in diese Partei eingetreten, um zu gestalten. Nicht, um parteilichen Selbstzweck zu fördern oder Betrachtungsweisen unkommentiert top-down durchzureichen. Viel mehr empfinde ich es als Auftrag von regionalen Akteuren einer Partei, kritisch und konstruktiv auch die Belange der eigenen Region und Basis in den politischen Entscheidungsfindungsprozess höherer Ebenen zu tragen. 

Sie leiten die CDU in Georgsmarienhütte. Was ist denn Ihr Verständnis von Partei?

Eine Partei ist kein sich selbst begründendes Ziel, sondern ein Werkzeug für die gemeinsame Gestaltung der Zukunft. Was ich bei der vorherigen Frage sagte, zählt damit natürlich auch für Georgsmarienhütte und damit für die lokale CDU, der ich seit 2022 vorstehen darf. Gerade auf lokaler und kommunaler Ebene ist es entscheidend, dass Parteien als Plattform zur Lösung realer Probleme dienen. Dies geht nur mit Diskurs und parteiübergreifenden Austausch.

Auch hier kommen wir auf das Ehrenamt zurück; es sind viele Menschen, die sich freiwillig und in ihrer Freizeit politisch für die Belange einsetzen, die ihnen wichtig sind. Gerade dies ist ein Faktor, den mein Vorstand seit 2022 mehr herausgestellt hat; solange wir auf der gleichen Wertegrundlage stehen, ist jedes Anliegen eins, über das man diskutieren und werten kann. Und dafür bedienen wir uns bewusst parteiinternen und -externen Expertiseträgern. Um jedes Themenfeld angemessen fundiert angehen zu können und um Entscheidungsfindung nicht nur in üblichen Parteimustern zu gestalten. Lehrer und Eltern sprechen über Bildung, Bauern und Forstwirte über Landwirtschaft und Unternehmer über Wirtschaft. Diese interdisziplinäre Aufstellung ist damit weniger Zier, sondern wirklich erforderlich.

Konkret bedeutet dies, dass wir Probleme nicht entlang von Parteizugehörigkeiten identifizieren, sondern entlang von Wirkungen. Hierfür ist es nicht abwegig, dass sich auch eine lokal agierende Partei an wettbewerbsfähigen Mustern und Denkweisen orientiert.

Das klingt jetzt weniger nach lokaler Politik – mehr nach generellem Management.

Das Ergebnis zählt; und wenn wir dieses zum Wohle der Gemeinschaft so besser und zielgerichteter erreichen, so kann dies nur im Sinne aller sein. Ich selbst komme nicht aus Parteikadern, sondern habe Führung und Organisation in den Streitkräften und in der freien Wirtschaft gelernt. Seit 2022 sind einige politische Akteure in den Kreis unseres Vorstandes hinzugetreten, die einen ähnlichen Hintergrund jenseits von Parteien aufweisen können. Hiermit haben wir uns ein wenig herausgewagt und weichen mitunter von vergleichbaren politischen Organisationen ab. Die Ergebnisse sind jedoch messbar und werden wahrgenommen. Und hier bin ich dankbar gegenüber dem Vorstand und der Parteibasis, diese eher unübliche Form des politischen Handelns für eine kommunale Partei gemeinsam mitzutragen und tatkräftig zu unterstützen. Das klingt jetzt alles vielleicht ganz spannend, dennoch ist Demut erforderlich. Ohne die seit vielen Jahrzehnten politisch umtriebigen Akteure in allen Stadtteilen, die für viele Situationen bereits „Schubladenlösungen“ haben, langfristige Entwicklungen durch eigenes Gestalten kennen und bis in die letzte Siedlung und die Verein vernetzt sind, wäre das alles nichts. Sie dürfen sich unsere lokale Partei also als unüblichen Hybrid vorstellen, in dem alle Berufsgruppen, Altersbänder und Klientele ihren Platz finden und vertreten werden.

Meine Aufgabe als Vorsitzender ist dabei nicht, Mehrheiten zu verwalten – sondern Ergebnisse zu ermöglichen. Das bedeutet Klarheit in der Kommunikation, Präzision in der Planung und Verlässlichkeit in der Umsetzung. Zur Findung einer guten Lösung für ein gemeinsames Problem kann ich nicht in das Gespräch mit anderen Parteien oder Organisationen gehen, wenn ich dabei ein Parteibuch als Monstranz vor mir hertrage.

Bleiben wir vor Ort. Die Neue Osnabrücker Zeitung hat den Entwicklungen rund um die Bürgermeisterkandidatur in Georgsmarienhütte in den letzten Monaten zahlreiche Berichte gewidmet. Warum ist dieses Thema so relevant?

Man muss ehrlich sein; wenn auch auf höheren Ebenen wichtige Entwicklungen notwendig sind, so darf man deswegen nicht den Blick für die Verantwortung im eigenen Verantwortungsbereich vergessen. Und genau dieser liegt in eben diesem Feld.

Über die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Georgsmarienhütte haben wir ja bereits gesprochen. Diese bedingen auch auf lokaler Ebene eine professionell geführte Verwaltung zur Ermöglichung und Umsetzung von notwendigen Entwicklungen. Dabei ist die Dringlichkeit solcher Entwicklungen parteiübergreifend einleuchtend, weswegen die Frage der kommenden Verwaltungsspitze sehr oft gestellt worden ist. Ich will es nicht künstlich überhöhen, aber es ist mitunter Standortfaktor, strategischer Katalysator und in vielen Fällen auch Systemstabilisator für die mittelfristige Entwicklung der Stadt.

Die skizzierte Lage verträgt kein Zaudern. Nachvollziehbar daher das Interesse der lokalen Bevölkerung und der Presse. Mit der gemeinsamen Vorstellung der Kandidatur von Tobias Avermann als unabhängiger Bürgermeisterkandidat haben wir eine Lösung präsentieren können, die aus guten Gründen von der Breite der lokalen Gesellschaft getragen wird. Ich weiß, dass Tobias Avermann keinen Fokus auf Personenkult oder auf kurzfristige Pressewirkungen legen wird, sondern auf professionelle Umsetzung von notwendigen Schritten in Georgsmarienhütte. Es ist auch seine Heimat. Dass sich viele gesellschaftliche Gruppen, Parteien und Initiativen auf diesen Kandidaten einigen konnten, ist also kein Zufall. Der lange Weg dorthin hat sich gelohnt.  Aufwands, der sich aber gelohnt hat.

In Ihrem Garten sitzt heute die Junge Union. Was sind denn die programmatischen Inhalte, die Sie jetzt für die Jugend wichtig halten?

Ich möchte mich bewusst nicht darauf begrenzen, was die heutige Jugend jetzt in diesem Moment braucht. Viel mehr bin ich davon überzeugt, dass alle relevanten politischen Handlungsstränge unmittelbare Auswirkungen auf das ganze Leben der Menschen haben, die heute die Jugend abbilden. Altersvorsorge ist genauso ein Thema für die Jugend wie Bildungspolitik. Bei Bildungspolitik ist es genauso relevant dem Bedürfnissen des Individuums nachzukommen, als auch volkswirtschaftlich notwendige Entwicklungen im Makro einzuleiten. Wenn die Frage aber nach konkreten programmatischen Inhalten gestellt wird, versuche ich es in ein paar Stichworten. Schaffung einer Bildungslandschaft, die im Ergebnis auf hohe Wettbewerbsfähigkeit ausgelegt ist und sowohl berufliche als auch akademische Ausbildung hoch wertet. Zwingende Rentenreform, um eine Lösung zu finden, die den Menschen sowohl als heutigen Zahlern als auch als zukünftigen Empfängern gerecht wird. Erringen von Wettbewerbsvorteilen für die heimische Wirtschaft durch Digitalisierung, Energiesicherheit und gesetzlichen Handlungsspielraum. Starke Entlastungen und notwendige Vergünstigungen gegenüber Familien und Leistungsträgern. Migration, Sozialstaat, Umweltschutz, Verteidigung – wir können hier jetzt länger weitermachen.

Aber Sie stellen fest; das sind eigentlich keine klassischen Themen, die man direkt der Jugend zuschreibt. Doch geht es dem Land gut, so hat die Jugend die besten Voraussetzungen. Es gibt damit kaum ein Thema, welches nicht auch für die Jugend von hoher Relevanz ist. Damit einhergehend ist es für mich selbstverständlich, dass Jugendpolitik heute nicht auf die aktuellen Bedürfnisse eines Klientel verstanden wird, sondern langfristig gedacht und praktiziert werden muss. Umso dringlicher die Notwendigkeit an jungen Menschen, die sich für Ihre Zukunft einbringen und bereit sind, hierfür in den Diskurs zu treten. An der Stelle also auch meinen Dank gerade an die Junge Union, die dies ganz offenbar gegenwärtig macht

Deshalb: Jugendpolitik ist keine Nische, sondern Querschnittsaufgabe.

Zum Abschluss ganz persönlich: Was motiviert Sie zur politischen Arbeit? 

Besonders schätze ich den offenen Austausch mit unterschiedlichsten Akteuren – vom Unternehmer bis zur Pflegekraft, vom Vereinsvorsitzenden bis zum Berufseinsteiger. Diese Vielfalt bricht mit politischen, beruflichen oder gesellschaftlichen Blasen und hilft, Entscheidungen realitätsnah und wirksam zu gestalten.

Ich bin hier geboren. Meine Familie lebt hier und meine Kinder wachsen hier auf.
Das Wohl dieser Stadt ist damit auch das Wohl der Menschen, die mir nahe stehen. Und damit auch für die Zukunft, die wir gemeinsam hier erleben wollen. Dies ist der Grund, weswegen ich mich einsetze und bereit bin, Verantwortung zu tragen.

 


Tim Worpenberg im Sommerinterview der CDU JU Georgsmarienhütte Osnabrück Foto Wirtschaftspolitik

Geführt im September 2025 in Georgsmarienhütte von der Jungen Union Osnabrück/Land.
Fotos: Jule Huning / CDU Georgsmarienhütte