Neue OZ: Besuch von Altbundeskanzler Helmut Kohl

15. Mai 2004

Hans-Gert Pöttering hat gestern Abend auf das richtige Zugpferd gesetzt. Rund 1500 Menschen hatten sich gegen 17 Uhr vor dem Rathaus versammelt, um den „Kanzler der Einheit“ und Ehrenbürger Europas zu sehen und zu hören. Auf dem Weg zur Bühne schüttelte Helmut Kohl wie seine Begleiter – neben Pöttering unter anderen der CDU-Bundestagsabgeordnete Georg Schirmbeck, die Landtagsabgeordneten Martin Bäumer, Irmgard Vogelsang und Ernst-August Hoppenbrock sowie Bürgermeister Heinz Lunte – zahlreiche Hände. Spontanes Schulterklopfen auch aus der zweiten Zuschauerreihe gab es aber fast ausnahmslos für den Ehrengast aus Oggersheim.

Kohl gab sich anschließend in seiner Rede überwiegend staatsmännisch und bat die Gäste der Kundgebung eindringlich, am 13. Juni auch tatsächlich zur Europawahl zu gehen. Vor allem viele junge Menschen könnten den rasanten Wandel kaum begreifen, den Deutschland und Europa in den vergangenen 15 Jahren erlebt habe.
Die Frage seiner eigenen Kinder, warum er mit über 70 Jahren noch einmal in einen Wahlkampf ziehe, beantwortete Helmut Kohl am Dienstagabend noch einmal vor dem Mikrofon in GMHütte: „Es ist die erste freie Wahl in diesem Jahrhundert in einem großen Europa.“ Die nach der EU-Osterweiterung um zehn neue Länder gewachsene Gemeinschaft sei ein „wahres Wunder“. Das große Haus Europa sichere mit seinen vielen neuen Räumen das Nebeneinander vieler Identitäten, Kulturen und Geschichten, in dem ein entscheidendes Gesetz herrsche: Nie wieder Gewalt oder Krieg.

Skeptikern der EU-Osterweiterung schrieb Kohl ins Stammbuch, dass die Schwierigkeiten in Deutschland hausgemacht seien „und mit der EU überhaupt nichts zu tun haben“.

Auch die Angst vor billigen Arbeitskräften aus dem Osten sei letztlich unbegründet. Bei der Spargelernte oder der Weinlese seien von jeher überwiegend polnische Arbeiter im Einsatz, „weil sich die Deutschen nicht gern bücken“.
Eine klare Absage erteilte der Altbundeskanzler einem EU-Beitritt der Türkei, solange es dort keine rechtsstaatlichen Verhältnisse und keine praktizierte Religionsfreiheit gebe.

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